erschienen: VersicherungsJournal Extrablatt, August 2004
Wenn Makler ihren Bestand oder ihr komplettes Unternehmen veräußern wollen, sind sie mit einer Vielzahl von Problemen konfrontiert. Wie werden die Bestände sinnvoll bewertet? Wer bringt Käufer und Verkäufer zusammen, wo liegen Risiken, was ist zu beachten?
Die Gründe sind vielfältig: Wenn Makler sich zur Ruhe setzen wollen, aufgrund finanzieller Probleme sich von ihrem Bestand trennen müssen oder durch den Erwerb neuer Kundendaten expandieren wollen, dann brauchen sie die Hilfe von Experten, die Bestände fachgerecht bewerten und den Verkäufer mit den passenden Käufern zusammenbringen.
„In den nächsten fünf Jahren werden 1.000 Maklerunternehmen allein aufgrund der demografischen Entwicklung den Besitzer wechseln“, schätzt Christian Lüth, Sachverständiger und Geschäftsführer der Ibras GmbH in Hamburg und bei Lübeck. Weitere 1.500 Makler seien zudem aufgrund branchenspezifischer Entwicklungen dazu gezwungen, sich von ihrem Bestand entweder zu trennen oder durch Zukauf zu expandieren.
Dies, so Lüth, liege nicht zuletzt an den neuen Rahmenbedingungen für Berater und Vermittler, die die EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie und die VVG-Reform mit sich bringen. Die neuen Informationspflichten sehen unter anderem eine Offenlegung der Abschluss- und Vertriebskosten vor, was insbesondere Makler trifft, die stark auf das Personenversicherungsgeschäft und Einmalcourtagen fokussiert sind.
Sie müssen laut Lüth mit wegbrechenden Einnahmen rechnen und erreichen so oftmals kaum noch 100.000 Euro jährlich laufender Courtageeinnahmen mehr. Diese Marke nennt der Experte als ungefähre wirtschaftliche Mindestumsatzgröße. Ebenso betroffen ist der „Bauchladen“-Makler mit zu geringem Umsatzvolumen. Ihre Wahl: Entweder kaufen, um eine wettbewerbsgerechte Größe zu erreichen, verkaufen, kooperieren oder sich beteiligen.
Multiplikator wird ermittelt
Bewertungsexperte Lüth, selbst auch Makler, kam zur Bestandsbewertung durch den Teilverkauf seines eigenen Bestandes. Er entwickelte 2004 dafür ein eigenes Verfahren, erkannte den großen Bedarf innerhalb der Branche und gründete ein Unternehmen, das unter anderem Bestandsbewertung anbietet. Zwar sind auch Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater in diesem Segment tätig, oft ohne unmittelbare Vertriebspraxis und Branchenerfahrung. Lüths Bewertungsmethode: Eine Mischung aus klassischem Umsatzwertverfahren und Vergleichswertverfahren.
Die laufenden Courtagen werden dabei bewertet und mit anderen marktüblichen Transaktionen ähnlicher Größe verglichen. Am Ende der Analyse liefert das Verfahren einen Faktor, der mit der Höhe der laufenden Jahrescourtage multipliziert den Marktwert eines Bestandes ergibt.
Doch längst nicht in allen Fällen ist ein aufwendiges, zeitintensives und teures Gutachten nötig, gerade für kleinere und mittlere Bestände in Höhe von 100.000 bis 250.000 Euro laufendem Courtagevolumen – sie stellen auch das Gros der zu verkaufenden Bestände. „Es ist oft sinnvoller, zunächst ein abgespecktes Gutachten, eine Schätzung aufgrund von Eckdaten und einer Bestandsstrukturanalyse, zu erstellen. Dafür werden in bestimmten Bereichen Näherungswerte angenommen. Zum Beispiel nehmen wir in den in dem Bestand enthaltenen Versicherungssparten eine normale Schadenentwicklung an und überprüfen diese zunächst nicht en detail“, so Lüth.
In rund 25 Prozent aller Fälle sei jedoch gegen Ende der Verhandlungen ein umfangreicheres Gutachten nötig. Für Volumina über einer Million Euro sei zudem auch ein klassisches Ertragswertverfahren durchzuführen. Grund: „Diese sehr komplexe Methode berücksichtigt auch die Struktur des Außendienstes und den Kostenrahmen, was bei kleineren Beständen zu vernachlässigen ist.“
Die Preise fallen
Doch nicht immer genügt ein Gutachten, um eine erfolgreiche und schnelle Bestandsübertragung zu garantieren. „Oft ist der Markt nicht bereit, eine Bewertung auf dem Papier auch zu bezahlen“, sagt Dr. Stefan Adams, Geschäftsführer der Dr. Adams & Associates GmbH & Co.KG, Eschborn. Adams bringt Käufer und Verkäufer von Maklerbeständen zusammen und arbeitet auf Erfolgsbasis, ähnlich wie ein Immobilienmakler oder Headhunter. Er arbeitet mit Schätzungen, in der Bewertungsmatrix eines Bestandes werden 150 bis 180 Einzelinformationen zusammengetragen. Für aufwändigere Bewertungsgutachten empfiehlt Adams seine Klienten an andere Dienstleister.
Generell nimmt das Interesse stark zu: „Wir erhalten jede Woche zwei bis fünf Bestände auf den Tisch bei gleichzeitig zehn neuen Kaufinteressenten, die sich anmelden“, konstatiert Adams.
Adams spricht von einem Verkäufermarkt. Das Angebot steige zwar seit Jahren, dennoch werde es nach wie vor deutlich von der Nachfrage übertroffen. Paradox: Die Preise, die vor zehn Jahren noch um bis zu einem Viertel höher lagen, sinken immer weiter. Eine Faustregel: „Im Privatkundenbereich fällt der Faktor, der mit den wiederkehrenden Courtagen multipliziert den Wert des Bestandes angibt, von 3,0 auf 2,5“, so Adams. Im mittleren Gewerbebereich liege der Faktor bei 2,0, bei größeren Risiken im Großkundenbereich lediglich bei 1,7 bis 1,6, bei Industriekunden gar nur um 1,5.
Adams Zielgruppe sind Makler mit 100.000 bis 700.000 Euro Courtagevolumen. „Gerade am unteren Rand sind 10.000 bis 20.000 Euro für ein ausführliches Bewertungsgutachten meist schwierig zu leisten für die Makler.“
Doch auch die Käufer müssen die Finanzierung erst einmal sicherstellen. „Käufer sind in der Regel bereits etablierte Makler, die weiter expandieren wollen“, so Adams. Seine Erfahrung: Je größer das kaufende Unternehmen, desto geringer der Expansionsdruck und desto geringer auch die Neigung, marktgerechte Preise zu zahlen. Mittelgroße und kleinere Makler sind derzeit eher zur Aktion gezwungen, rund 80 Prozent von ihnen brauchen Hilfe bei der Finanzierung. Die Vermittlung von Kontakten zu entsprechenden Kreditinstituten gehört ebenfalls zu den Serviceleistungen des Unternehmens Dr. Adams & Associates.
„Derzeit gibt es eine deutliche Bewegung aus den Ausschließlichkeitsorganisationen der Assekuranz heraus auf den freien Markt“, weiß der Sachverständige Lüth. So sei es für viele dieser Neu-Makler interessant, einen eingeführten Bestand zu erwerben, anstatt ihn über Akquise erst mühsam aufzubauen. Lüth informiert über die Finanzierungsmöglichkeiten, zu denen auch öffentliche Fördermittel zählen, auf bundesweit durchgeführten Seminaren. „Wie teuer es letztlich wird, hängt im Wesentlichen von der Aufbereitung der Daten ab. Wir fragen, welche Verwaltungssoftware wird verwendet, welchen Umfang haben die Daten und wie gepflegt sind sie?“, sagt Lüth, der ein Bewertungsgutachten ab 900 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer erstellt. Hinzu kommt: Viele Verkäufer haben eine hohe emotionale Bindung an ihren über Jahre gewachsenen Bestand. Es ist ihnen wichtig, dass er in gute Hände kommt und langfristig professionell betreut wird. „Die Frage der Chemie zwischen Käufer und Verkäufer darf nicht unterschätzt werden. Der Preis ist nicht alles“, so Lüth.
Verschwiegenheit ist das A und O
Wesentlich für eine erfolgreiche Bestandsübertragung, die vom ersten Gespräch bis zum Vertragsschluss zwischen drei und zwölf Monaten dauert, ist die Anonymisierung der Gesprächspartner. Denn sobald bekannt ist, dass ein Bestand zum Verkauf steht, kann es gefährlich werden: „Wir wissen von vielen Fällen, wo der Bestand von Maklerkollegen geplündert wird und sich bis zum Verkauf plötzlich halbiert“, sagt Adams. Daher sei Verschwiegenheit unabdingbar, der Bestand müsse anonymisiert angeboten werden. Erst wenn das Interesse potenzieller Käufer verzeichnet und ausreichend überprüft ist, könnten Namen genannt werden.
Auch der Zeitpunkt der Bestandsübertragung sei wichtig, insbesondere wenn es um eine Geschäftsaufgabe aus Altersgründen geht. „In der Vergangenheit war es oft üblich, den Bestand noch einige Jahre liegen zu lassen, die laufenden Courtagen zu verbuchen und erst später zu verkaufen. Das funktioniert heute so nicht mehr“, warnt Adams. Sobald man nicht mehr in der Lage sei, den Bestand ausreichend zu pflegen und betreuen, wachse die Gefahr von Haftungsfällen. Wer seiner Pflicht als Sachwalter des Kunden nicht mehr nachkommen kann, sollte den Verkauf rechtzeitig einleiten, so der Experte.
Ist der Verkauf erfolgt, so wird meist vereinbart, dass der Verkäufer noch für eine Übergangszeit zur Verfügung steht. Der Kaufpreis wird meist ohnehin in zwei bis drei Raten bezahlt. „In der Frage der Kommunikation klaffen Theorie und Praxis leider weit auseinander“, weiß Lüth. Weder kann ein Versicherer gezwungen werden, eine Courtagevereinbarung mit einem Erwerber zu übernehmen, noch kann ein Kunde gezwungen werden, die Maklervollmacht auch gegenüber einem Erwerber aufrecht zu erhalten.
Dabei wird zwischen dem Verkauf des kompletten beziehungsweise Teile eines Unternehmens (share deal) und dem Verkauf des Bestandes (asset deal) unterschieden. Beim share deal erwirbt der Käufer Unternehmensanteile, ohne dass es einer Auflistung einzelner Vermögensgegenstände bedarf. Beim asset deal hingegen wird lediglich der Bestand, also ein einzelner Vermögensgegenstand, übertragen. Das Risiko ist dabei größer, dass Kundenverbindungen verloren gehen, wenn die Mitarbeiter nicht übernommen werden, die den Kunden bisher bekannt waren, und wenn der Firmenname wechselt.
Grundsätzlich ist die Zustimmung des Versicherungsnehmers zum Maklervertrag mit dem neuen „Sachwalter“ erforderlich. Insbesondere die richtige Art der Kommunikation der Bestandsübertragung gegenüber den Versicherungsnehmern gewährleistet die Bestandssicherheit für den Käufer und damit die Zahlung des adäquaten Kaufpreises für den Verkäufer.
Lüth empfiehlt, die A-Kunden auf jeden Fall persönlich zu informieren. Die Transparenz und die Betonung des Nutzens der Übertragung gegenüber den Versicherungsnehmern sind dabei essenziell, zumal es eine Reihe juristischer Problemfelder bei der Bestandsübertragung gibt. Sie erfolgt im günstigsten Fall meist zwei bis drei Monate nach der Unterzeichnung des Vertrages. „Versicherer brauchen in der Regel sechs bis acht Wochen für die Umschlüsselung der Versicherungskunden“, so Adams.
Achtung vor Risiken
Als eines der größten Risiken beim Bestandskauf sieht Lüth die mögliche Abwerbung der Kunden im Nachhinein. „Es mag durchaus vorkommen, dass Makler, die ihren Bestand verkauft haben, oder ehemalige Mitarbeiter nach einiger Zeit aufgrund veränderter Umstände versuchen, ihren alten Kundenbestand wieder zurückzugewinnen. Daraus ergeben sich vielfältige rechtliche und praktische Probleme. Schadenersatzklagen seitens des Bestandskäufers sind extrem schwierig rechtlich durchzusetzen“, so Lüth.
Ein anderes Problem benennt Bestandsvermittler Adams: Betrug. Es gebe in der Branche schwarze Schafe, die ihren Bestand mehrfach verkaufen oder aufgrund finanzieller Probleme einen problematischen Bestand kaschieren und abtreten wollen. Dies betreffe zum Beispiel Fälle, wo das Maklerinkasso im gewerblichen Bereich missbraucht wurde: „Die eingezogenen Beiträge werden nicht an die Versicherer abgeführt, sondern zum Beispiel für Personal selbst verbraucht. Folge: Der Versicherungsschutz erlischt, der Bestand ist ohne Wert“, beschreibt Adams einen krassen Fall.
Aber auch auf der Käuferseite sei eine genaue Prüfung angeraten. Es sei schon zu Fällen gekommen, wo wertvolle Kundendaten ohne entsprechende Vergütung übernommen worden seien. „Wir lehnen die Hälfte der uns angebotenen Bestände ab, weil es schon im Vorfeld Hinweise auf Probleme gibt“, so Adams.