erschienen: IHK Frankfurt, September 2011
Bestands- und Unternehmensverkäufe nehmen bei Versicherungsmaklern in den letzten Jahren weiter zu. Gründe hierfür sind insbesondere die demographische Entwicklung und die hiermit verbundene Altersnachfolgeproblematik. Das Durchschnittsalter der Versicherungs- und Finanzdienstleistungsmakler liegt nach empirischen Untersuchungen von verschiedenen Versicherern bei durchschnittlich ca. 55 Jahren! Auch konjunkturelle und branchenspezifische Entwicklungen erhöhen sukzessive die Anzahl der Bestands- und Unternehmensverkäufe. Hier sind die längeren Haftungszeiten im Lebensversicherungsgeschäft sowie die krisenbedingte Verunsicherung der Verbraucher zu nennen. Diese führt insbesondere bei margenstarken respektive provisionsträchtigen Produkten wie Lebensversicherungen und Krankenversicherungen zu rückläufiger Neugeschäftsproduktion und somit zu niedrigeren Erträgen. In der Folge haben sich für Versicherungsmakler die Kennzahlen für als kritisch bewertete Unternehmensgrößen signifikant nach oben verändert.
Bereits heute ist abzusehen, dass weitere Regulierungen des Finanzdienstleistungsmarktes in anderen EU-Staaten – bspw. das ab 1.1.2012 gültige Verbot in England, Abschlussprovisionen zu bezahlen – mit nur geringer zeitlicher Verzögerung auch in Deutschland umgesetzt werden. Die Ertragslage von Versicherungsmaklern wird somit weiter unter Druck kommen.
Die von Beratungsunternehmen und Verbänden veröffentlichten empirischen Untersuchungen hinsichtlich der Courtageumsätze belegen, dass – je nach Unternehmensgröße – die Umsätze historisch zwischen 40% und 55% aus dem Bereich der Sachversicherungen und zu 40% bis 60% aus dem Bereich der Personenversicherungen resultieren. Der Einbruch im LV-Geschäft, der sich bedingt durch die Finanzkrise durchschnittlich mit 30% - 40% fehlender Einnahmen aus diesem Segment beziffern lässt, motiviert immer mehr Maklerunternehmen über Zukäufe von Sach-Courtagen nachzudenken. Die rückläufige Entwicklung im LV-Geschäft soll dann mit größerem Sachversicherungsbestand und durch die Realisierung von Kostendegressionseffekten im Back-Office aufgefangen werden. Für konjunkturell unsichere Marktphasen stellt die Stabilisierung der Courtageeinnahmen durch eine anteilige Erhöhung der weniger volatilen Sachcourtagen einen weiteren positiven Kaufeffekt dar.
Welche Auswirkungen beinhalten diese Entwicklungen nun für die Verkaufspreise bzw. die Faktoren, die aktuell und zukünftig zu erwarten sind?
In den letzten 5 Jahren hat der Markt auf verschiedene exogene Einflussfaktoren reagiert. Insbesondere die Umsetzung der Vermittlerrichtlinie zum 22.05.2007 hat in 2006 und 2007 zu einem stark steigenden Angebot bei kleineren bis mittleren Bestands- und Unternehmensgrößen geführt. Die Kaufpreisfaktoren sind in dieser Phase gegenüber den Jahren 2002 - 2005 um bis zu 25% gefallen. Seit 2007 hat sich diese Entwicklung bei den Transaktionen umgedreht. Dies resultiert zum einen aus den oben angesprochenen Entwicklungen (d. h. dem Bestandszukauf wg. kritischer Unternehmensgröße, Stabilisierung Courtageumsatz) und wird zusätzlich durch die steigende Qualität der zum Verkauf angebotenen Bestände bzw. Unternehmen begründet.
Tendenziell treffen heute zunehmend besser aufgestellte Käufer am Markt auch auf qualitativ besser aufgestellte Verkäufer. Diese Käufer können dementsprechend auch höhere Kostendegressionseffekte bei Bestandsintegrationen realisieren, so dass die Kaufpreise respektive die Kaufpreisfaktoren auf dem aktuellen Niveau zumindest konstant bleiben sollten.
Wie wird der Kaufpreis ermittelt?
Die Kaufpreisermittlung geschieht im Markt überwiegend in Form des Umsatzwertverfahrens. Hierbei werden eine Fülle von harten und weichen Merkmalen analysiert und bewertet. Dies sind z.B. die Entwicklung der Bestandscourtagen, der Courtagen nach Zielgruppen (Privat-Gewerbe-Industrie), nach Sparten und Branchen, die Vertragsdichte, soziodemografische Daten der Kunden, Bilanzkennzahlen, Schadenquoten, etc. Aus dieser Datensammlung resultiert eine Bewertung, die zu einem Faktor führt. Dieser wird mit der Jahrescourtage multipliziert und ergibt dann als Anhaltspunkt den Unternehmenswert bzw. Kaufpreis, unter der Nebenbedingung, dass die Kosten- und Erlösstruktur des Maklerunternehmens im Markt liegt.
Käufer überschätzen hierbei häufig den Kaufpreisfaktor. Im Vordergrund für einen Käufer sollte prinzipiell die Amortisationsdauer der Investition d.h. des Kaufs stehen. Diese kann bei den einzelnen Kaufinteressenten wegen der unterschiedlichen Unternehmensaufstellung durchaus sehr unterschiedlich ausfallen. Deshalb ist es wichtig, die Anforderungsprofile von Verkäufer und Käufer zu kennen, diese auf Kompatibilität zu prüfen und die Einflussgrößen für die Ermittlung der Amortisationsdauer individuell zu erfassen.
Beim Verkauf von alteingesessenen und etablierten Maklerunternehmen oder langjährig gewachsenen Beständen kommt es bei der Kaufpreisfindung oftmals zu Überraschungen wegen zu hoher Amortisationszeiträume für potenzielle Käufer. Etablierte Maklerunternehmen haben häufig im Laufe der Jahre den sprichwörtlichen „Speck“ angesetzt. Wer plant, sein Unternehmen oder seinen Bestand mittelfristig zu verkaufen – d.h. in 3 bis 5 Jahren, sollte im Vorfeld das Risiko eines langen Suchprozesses minimieren. Erfahrungen belegen, dass die Verkaufsverhandlungen für Verkäufer und Käufer wesentlich leichter vonstattengehen und das Ergebnis für beide Seiten wirtschaftlich bedeutend günstiger aussieht, wenn frühzeitig entsprechende Restrukturierungsmaßnahmen eingeleitet wurden. Hilfreich ist dafür eine frühzeitige Bestands-/Unternehmensbewertung, die dann die Basis für die Restrukturierung und Verkaufsvorbereitung darstellt.
Fazit
Ein weiter steigendes Angebot von Unternehmens-/Bestandsverkäufen trifft am Markt auf eine betriebswirtschaftlich motivierte steigende Kaufbereitschaft etablierter Maklerunternehmen. Potenzielle Verkäufer werden attraktive Verkaufspreise aber nur dann erzielen, wenn sie sich frühzeitig mit den Anforderungen der Käufer nach kurzen Amortisationszeiten befassen und ihr Unternehmen entsprechend aufstellen.