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AutorenbildMaxine Adams

Das Karibikmodell funktioniert nicht mehr

erschienen: VersicherungsJournal Extrablatt, April 2023


VersicherungsJournal-Extrablatt-Redaktion: Unternehmen Ihrer Gruppe beraten seit mehr als 20 Jahren Versicherungsvermittlerbetriebe bei der Regelung ihrer Nachfolge und, nicht ganz so lange, kleine und mittelständische Unternehmen anderer Branchen. Unterscheidet sich der Vermittlerbetrieb von diesen?

Dr. Stefan Adams: Vom Zahlenwerk her ist der Versicherungsvermittler das komplexeste. Es ist zwar keine Raketenwissenschaft, aber gegenüber beispielsweise einem Autozulieferer oder einer Werkzeugfabrik mit nur zehn oder 15 Produkten ist die Unternehmensbewertung eines Versicherungsmaklers sehr anspruchsvoll.

Maxine Adams: Hinzu kommt die Konsolidierung insbesondere im Versicherungsmaklermarkt. Sie ist sieben bis acht Jahre weiter als beispielsweise im Markt der Immobilienverwaltungen und -makler, den wir auch bearbeiten. In das Immobiliensegment strömen erst jetzt die ersten Private-Equity- (PE-) Gesellschaften.


Was ist denn das PE-Zielsegment?

Stefan Adams: Treiber der Konsolidierung bei den Versicherungsmaklern sind nicht die Versicherer, sondern PE-Fonds und anderes privates Kapital. Sie haben erkannt, dass gut aufgestellte Versicherungsmakler ein relativ profitables Investment sein können – eine hohe Rendite ohne großes Risiko. Seit einigen Monaten suchen zwölf bis 15 neue PE-finanzierte Player mit neunstelligem Erwerbsbudget nach geeigneten Kandidaten, das heißt, namhafte Übernahmen stehen noch aus.

Maxine Adams: Im oberen Segment der Top-100-Maklerunternehmen erwarte ich aufgrund des schon sehr hohen Konsolidierungsgrades wenig. 70 bis 80 Prozent sind hier verkauft oder gehören bereits zu Gruppen. Die restlichen sind familiengeführte Unternehmen, die ohne besondere Notlagen nicht zum Verkauf stehen. Im mittleren Bereich (ein bis fünf Millionen Euro Jahrescourtage) ist die Konsolidierung im vollen Gang.


Welche Größenordnung sollten Verkäufer haben?

Maxine Adams: Vor fünf Jahren hätten uns potenzielle Käufer sozusagen in die Wüste geschickt, wenn wir ihnen Größenordnungen von einer Million Euro EBITDA angeboten hätten. Inzwischen haben wir so viele Käufer, dass die sich auch Summen von 500.000 oder gar nur 300.000 Euro – Letztere nur bei deutlicher Spezialisierung – anschauen. Die Makler-Unternehmen ab Platz 100 oder 120 im Größenranking machen zwischen 500.000 und einer Millionen Euro EBITDA. Im Durchschnitt erzielt ein gut aufgestelltes Maklerhaus ein EBITDA von 25 Prozent; Spezialisten häufig 30 bis 50 Prozent.


Wie sieht denn die Nachfolgeregelung aktuell aus?

Stefan Adams: Bis 2010 waren 90 Prozent Bestandsübertragungen, heute sind es vielleicht noch fünf Prozent. Verkauft werden Unternehmen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft, GmbH oder Co. KG. Der Einzelkaufmann verkauft sich schon allein wegen des hohen Informationsaufwands im Zuge des Datenschutzes nicht mehr. Wer einen Bestand kauft, muss bei allen Kunden einen neuen Maklervertrag einholen. Packt man den Bestand vor der Transaktion in einen GmbH-Mantel, müssen die Kunden nicht über den Wechsel von Geschäftsführer oder Anteilseigner informiert werden.


Wie lange dauert ein Verkaufsprozess üblicherweise?

Maxine Adams: Das hängt nicht von uns ab – wir haben größere, d.h. achtstellige Transaktionen schon in dreieinhalb Monaten erfolgreich inklusive Due Diligence umgesetzt. Es hängt davon ab, wie gut der Verkäufer seine Unterlagen aufbereitet hat und diese möglichst digital liefern kann. Die Bestandsunterlagen müssen in der Tiefe vorhanden sein, aber auch Miet-, Leasing-, Arbeits- und Serviceverträge. Wichtig ist auch, dass der Steuerberater uns zügig die Unterlagen übergibt. Hat der Makler schon einen hohen Digitalisierungsgrad, sind Controlling und Buchhaltung meist besser. Je mehr Papier, desto zeitaufwendiger wird der Prozess für alle Beteiligten.


Wie gehen Sie bei der Bewertung vor?

Maxine Adams: Wir stimmen unsere Unternehmensbewertung mit dem Verkäufer Seite für Seite ab. Auf Basis unserer Marktkenntnis erstellen wir für den Verkäufer eine Liste potenzieller Kandidaten, mit denen wir gute Erfahrungen haben. Der Verkäufer kann sich dann aussuchen, mit wem wir sprechen sollen. Das läuft natürlich alles anonymisiert. Dadurch, dass mit mehreren Kandidaten gesprochen wird, kann eher ein adäquater Kaufpreis erzielt werden.

Wie sieht es mit der Haftung aus?

Stefan Adams: Unsere umfangreiche, in der Regel 40 bis 50 Seiten ausmachende Unternehmensbewertung ist die erste Firewall, um die Haftung für Verkäufer zu reduzieren. Wir schauen uns praktisch alles an, was beim Unternehmen relevant ist, und verschriften das im Gutachten. Auch negative Zusammenhänge kann man wunderbar sachlich darstellen. Wenn der Käufer diese dann dennoch übergeht, kann er sich später nicht pauschal auf Mängel berufen.

Maxine Adams: Die Käuferseite prüft deutlich stärker als früher. Inzwischen habe ich verschiedene Fälle, in denen zehn bis 15 Steuerberater und Rechtsanwälte einen Verkäufer im einstelligen Millionenbereich prüfen. Vorteil: Je mehr geprüft wird, desto mehr reduziert sich auch die Haftung des Verkäufers.

Stefan Adams: Zudem schließen Käufer wie Verkäufer gelegentlich eine Warranty and Indemnity (W&I) ab, für die Fälle, in denen nach der Transaktion unglücklicherweise doch etwas bilanziell hochkommt. Wir haben seit 23 Jahren keinen einzigen Haftungsfall, dabei haben wir inzwischen fast 470 Transaktionen abgeschlossen.

Was kennzeichnet einen qualitativ guten Bestand?

Stefan Adams: Die Kundenbindungsdauer ist für uns ein Indiz, dass die Servicequalität stimmt. Dass der Gewerbemakler das Know-how hat, die Schadenabwicklung funktioniert etc. Weitere Kriterien sind Storno und Schadenquoten. Wir gucken uns genau an, um welche Art von Schadenfällen es sich handelt. Denn wenn der Bestand sich andauernd dreht, weil neue Versicherer aufgrund hoher Schadenquoten gesucht werden müssen, ist das aufgrund hoher Kosten nicht positiv für die Bewertung.

Maxine Adams: Auch hier stellen wir Veränderungen im Markt fest: Vor zehn bis zwölf Jahren haben die Käufer sehr schnell das Management ausgetauscht und teilweise auch Mitarbeiter entlassen. Aufgrund der Situation am Personalmarkt wollen die PE-finanzierten Käufer nun, dass die Verkäufer noch drei bis fünf Jahre als Geschäftsführer tätig bleiben. Das Karibikmodell – Geld auf den Tisch und weg – funktioniert also nicht mehr. Die Käufer wollen, dass der Verkäufer den Bestand sichert. Dafür zahlen sie ihm ein übliches Geschäftsführergehalt. Meist werden nur die ungeliebten Zentralaufgaben wie IT, Personal, Rechnungswesen und die Verhandlungen mit den Versicherern über Courtagen und Provisionen auf die Käufer übertragen.


Welche Sparten sind bei den Käufern beliebt und werden hoch bezahlt?

Stefan Adams: Im Prinzip ist alles gefragt, sofern es eine gewisse Größenordnung hat und ohne Kumulrisiko ist. Es werden auch immer mehr bAV-Companies aufgekauft, wobei der Markt hier ein bisschen enger ist, weil die wenigsten Maklerbetriebe hunderte von Experten für betriebliche Altersversorgung (bAV) auslasten können.


Gibt es auch Ladenhüter?

Stefan Adams: Was wären für Sie Ladenhüter?


Vielleicht hohe Kraftfahrt-Bestände?

Stefan Adams: Also bei uns werden nahezu alle Unternehmen und größere Bestände, die eine Werthaltigkeit haben, unmittelbar verkauft. Anders ausgedrückt: Wir arbeiten seit Jahrzehnten mit den großen und bonitätsstarken Erwerbern der Branche zusammen – die naturgemäß nicht alle PE-finanziert sind – und wissen genau, wer was möchte und gerade bereit für Verhandlungen ist. Neben diesen Bestandskunden erhalten wir pro Woche im Schnitt ein bis zwei Anrufe aus London oder New York mit der Absicht, in den deutschen Markt einzusteigen.

Maxine Adams: Ladenhüter sind momentan nur noch Restrukturierungsprojekte, bei denen der Verkäufer seit Jahren Verluste schreibt ... und am Ende geht es natürlich um gewisse Größenordnungen der Unternehmen, weil für eine „One-Man-Show“ der Transaktionsaufwand im Verhältnis zum Verkaufspreis schlichtweg zu groß wäre. Diese Größenordnungen – „One-Man-Shows“ – begleiten wir zurzeit nicht, das überlassen wir anderen Unternehmen und Erwerbern.

Stefan Adams: Ein hoher Anteil an Kraftfahrt ist übrigens kein Hinderungsgrund. Es gibt Vertriebsorganisationen, die primär Kunden, d. h. Leads kaufen wollen. Natürlich bekommt man für Kraftfahrt nicht den Preis wie für klassische Gewerbebestände beim Verkauf. Gut ist prinzipiell, wenn der Bestand groß und stark digitalisiert ist.


Interessiert auch die Zahl der Verträge pro Kunde?

Stefan Adams: Im Gewerbegeschäft ja. Hier gilt: Je mehr Verträge pro Kunde, umso besser ist dieser gebunden und damit sicher. Makler, die privatkundenorientiert sind, argumentieren eher, dass sie bei Kunden mit hoher Anbindung nicht mehr viel verkaufen können. Eine Anbindung von zwei bis 2,5 Verträgen ist für sie okay; sieben bis acht mangels weiteren Potenzials eher nicht.




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