erschienen: AssComapct, August 2021
Die Transaktionen im Vermittlermarkt nehmen zu. Wie sich diese gestalten, hängt immer mehr davon ab, in welchem Umsatzsegment sich ein Maklerunternehmen, das verkauft werden soll, befindet. Billiges Geld, aber auch andere Motivationen treiben den Markt.
Dr. Adams & Associates beobachtet und analysiert als Beratungsunternehmen den Markt für Bestands- und Unternehmensverkäufe im Maklersegment seit mehr als 20 Jahren. Erstmalig veröffentlicht das Unternehmen Erkenntnisse und Ergebnisse, die bisher ausschließlich mit den eigenen Kunden geteilt wurden. Auszugsweise werden im Folgenden verschiedene Aspekte der Marktentwicklung im ersten Halbjahr 2021 wiedergegeben.
Höhere Übernahmeaktivitäten in allen Segmenten
Die Anzahl der Übernahmen respektive des Erwerbs von Maklerunternehmen hat sich gegenüber den Vorjahren im Betrachtungszeitraum deutlich erhöht und zum Teil sogar vervielfacht.
Dies gilt insbesondere für Unternehmensgrößen ab 2 Mio. Euro Courtage pro Jahr. In diesem Segment haben große Maklerunternehmen, in der Regel die Top-30-Player, sowie Private-Equity-Investoren zahlreiche Maklerbetriebe erworben. Da einige professionelle Käufer unter dem Radar der Öffentlichkeit agieren, spiegeln die erschienen namentlichen Aufzählungen bisher nur den kleineren Teil der Transaktionen wider.
Im mittleren Maklersegment, das etwa Courtageumsätze von 250.000 bis 2 Mio. Euro pro Jahr umfasst, lassen sich ähnliche Entwicklungen erkennen. Bezogen auf die Stückzahl kam es hier aber zu einer deutlich höheren Anzahl an Transaktionen als im oberen Segment – volumenbedingt mit geringeren Kaufpreisen.
Im unteren Marktsegment bis 250.000 Euro Courtageeinnahmen pro Jahr wächst die Transaktionsanzahl seit Jahren sukzessive durch den Einstieg jüngerer oder neuer Marktteilnehmer. Entsprechend des hohen prozentualen Anteils dieses Segments am Gesamtmarkt, ist die Anzahl der durchgeführten Transaktionen hier mit Abstand am größten.
Treiber für den Anstieg der Transaktionen
Die Gründe für den Anstieg der Übernahmen sind vielfältig und auf der Käuferseite nahezu durchgehend betriebswirtschaftlich motiviert. Hintergrund bildet oft die Notwendigkeit zu Größenkosteneinsparungen, also die Erzielung von Skaleneffekten oder auch „Economies of Scale“.
Ein Ranking der primär genannten Motivationen auf der Verkäuferseite sieht wie folgt aus:
Demografische Entwicklung: Immer mehr Inhaber von Maklerunternehmen aus der Babyboomer-Generation wachsen in eine Altersklasse hinein, die eine Entscheidung hinsichtlich der Nachfolge unaufschiebbar macht. Kinder wollen oder können häufig nicht übernehmen und die externe Suche nach einem Geschäftsführer wird – ebenfalls demografiebedingt – zunehmend schwieriger.
Corona-Frust: Die Corona-Maßnahmen führen zu höherem Verkaufsinteresse bei Marktteilnehmern, die meist über 60 Jahre alt sind und den Lockdown als Einschränkung der Freiheitsrechte sehen. Das gilt insbesondere für Reisetätigkeiten und wird als „Diebstahl“ von Lebenszeit und Lebensqualität wahrgenommen. Insofern tritt für diese Gruppe der weitere Aufbau von Vermögen in den Hintergrund. Man nimmt diesen sogar gerne in Kauf, um sich dafür mehr auf Reisen, Freizeit und Hobbys fokussieren zu können.
Strategie der Versicherer: Die Produktgeber fokussieren sich zunehmend auf große Marktteilnehmer. Makler im unteren und mittleren Segment erhalten bei bestimmten Risiken keine Angebote mehr von Versicherern und/oder werden in der Dienstleistung/-Schadenbearbeitung nachgeordnet zu großen Maklerunternehmen bedient. Die Frustrationstoleranz vieler Inhaber von Maklerunternehmen des unteren und mittleren Segments nimmt hier ab und führt immer häufiger zum Exit.
Personalqualität: Das „Jammern“ hinsichtlich der Qualität und des Anspruchsverhaltens des Personals nimmt zu. Die Babyboomer-Jahrgänge äußern ihre Unzufriedenheit über die Arbeitseinstellung, die Leistungsbereitschaft und die Arbeitsqualität jüngerer Mitarbeiter. Die Akquisition neuer Mitarbeiter wird für Unternehmen des unteren und mittleren Marktsegments zunehmend schwieriger und kostenintensiver. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das am Markt verfügbare Personal aufgrund fehlender Qualifikationen nicht den Qualitätsansprüchen der heutigen Inhaber entspricht. Hinzu kommt, dass die Erbengesellschaft – ein Großteil der Deutschen erbt zukünftig Immobilien- oder Geldvermögen – dazu führt, dass viele jüngere Mitarbeiter und Kinder der Inhaber, laut deren Einschätzung, wenig Bereitschaft zu Überstunden oder Wochenendarbeit zeigen.
Unterschiedliche Kaufpreisentwicklung
Die Kaufpreise haben sich in den verschiedenen Segmenten sehr unterschiedlich entwickelt.
Im oberen Segment werden Kaufpreise mit in der Spitze bis zu zweistelligen EBITDA-Multiplikatoren bezahlt, insbesondere wenn Bieterverfahren von Beratern durchgeführt werden.
Im mittleren Segment liegen diese Multiplikatoren deutlich niedriger (ca. 25 bis 30%).
Das untere Segment hat erneut einen Abrieb zu verzeichnen. Untersuchungen von Beratungsunternehmen, die auf Umsatzbasis das 1,6- bis 1,8-fache der wiederkehrenden Courtageeinnahmen pro Jahr statistisch belegen konnten, würden heute auf Umsatzbasis zu niedrigeren Ergebnissen kommen.
Entwicklungen auf Verkäufer- und Käuferseite
Auch auf Käufer- und Verkäuferseite tut sich einiges.
E-Commerce/Onlinemakler erzielen Spitzenpreise, sofern unter anderem Nachhaltigkeit und Zielgruppenausrichtung gewährleistet sind.
Erwerber im oberen und mittleren Segment „kümmern“ sich nicht um Verkäufer im unteren Segment. Von diesen Erwerbern werden keine Angebote im unteren Segment unterbreitet.
Hinzukommt, dass der Schwerpunkt nahezu ausschließlich auf Gewerbemaklern liegt (teilweise mit Industriegeschäft).
Das untere Segment dominieren Privatkundenmakler, einige davon mit kleineren KMU-Kunden.
Spezialmakler mit hoher Rendite sind gefragt, wenn sie auf nicht von Corona betroffene Branchen fokussiert sind oder sogar auf der Gewinnerseite stehen.
Der Maßstab für ein Angebot ist aus Käufersicht immer mit dem nachhaltig erzielbaren Gewinn des Zielunternehmens verbunden.
Der Bestandsverkauf ist nahezu tot, da der einzelvertragliche Übergang für Käufer zu mühsam und zu risikobehaftet ist.
Die Due-Diligence-Prüfung wird zunehmend intensiver und tiefer gehend durchgeführt. Der Wirecard-Skandal hat hier noch einmal zu einer weiteren Sensibilisierung geführt.
Die Risikoanalyse im Tax- und Legal-Bereich, die Branchenanalyse und die Analyse der IT-Landschaft mit DSGVO-Konformität sind hier zu nennen.
Fazit
Die unterschiedlichen Preisentwicklungen der letzten Jahre in den verschiedenen Maklersegmenten setzen sich nicht zuletzt zinsbedingt fort. Die Anzahl der Transaktionen wird weiter zunehmen, da es auf Verkäuferseite zahlreiche Treiber für einen Verkauf gibt. Die Verkäufer treffen auf Käufer, die aus betriebswirtschaftlichen Gründen wachsen wollen und müssen. Die Professionalisierung des Transaktionsprozesses führt zu mehr Sicherheit für Verkäufer und Käufer – die Rückzahlung von Kaufpreisen aus Verkäufersicht und Bestandsverluste aus Käufersicht werden zunehmend vermieden.
Bleibt eine Frage: Was passiert mit dem für viele Akteure scheinbaren „Goldilocks-Szenario“, wenn die Zentralbanken inflationsbedingt die Zinsen anheben und das billige Geld einsammeln? John Maynard Keynes meinte dazu: „Ändern sich die Fakten – verändert sich meine Einschätzung“.