erschienen: Versicherungsmagazin, Oktober 2014
Der Wert von Versicherungsmaklerbetrieben sinkt immer mehr. Gründe dafür gibt es viele. So wird die Vermittlung von Personenversicherungen immer schwieriger. In den privaten Kompositsparten herrscht scharfer Verdrängungswettbewerb und im gewerblichen Bereich Druck durch Honorarberatung. Und überall erschwert mehr Regulierung Versicherungsmaklern die Arbeit. Keine guten Botschaften für alle, die bald in Ruhestand gehen wollen und ihr „Lebenswerk“ zur Alterssicherung verkaufen möchten. Rund die Hälfte der Vermittler wird in den nächsten zehn bis 15 Jahren altersbedingt ausscheiden. Viele Studien zeigen, dass vor allem der Versicherungsvertrieb ein eklatantes Nachfolgeproblem hat. Daher lautet die Botschaft der Experten: frühzeitig viel Arbeit in die sorgfältige Planung des Ausstiegs stecken.
Nur wenige sind vorbereitet
Wie notwendig das ist, zeigt die Untersuchung „Nachfolgemanagement im Versicherungsvertrieb“. Die im Juni 2014 vorgelegte Studie der Versicherungsforen Leipzig malt ein düsteres Bild. Danach sind die Versicherungsvermittler überwiegend schlecht auf die Nachfolge vorbereitet. Die Online-Befragung von knapp 500 Vermittlern – überwiegend Versicherungsmakler – hat vor allem die Berufsträger über 50 Jahre näher untersucht. Rund 51 Prozent der befragten Makler geben an, dass sie sich noch gar nicht auf die Nachfolge vorbereitet haben. Immerhin 37 Prozent haben schon eine Planung vorgenommen.
Doch selbst von den zwölf Prozent, die anfänglich behaupteten, eine Nachfolgeregelung veranlasst zu haben, geben weiter drei Prozent zu, noch keine konkreten Entscheidungen gefällt zu haben, nachdem die Wissenschaftler tiefer bohrten. Dabei haben es viele Versicherungsmakler bitter nötig, zu einem guten Verkaufsergebnis zu kommen. Grund: Obwohl viele tagtäglich ihre Kunden zur Vorsorge animieren, haben sie selbst ihr Haus oft nicht bestellt. „Die Masse der altersbedingt ausscheidenden Makler hat es versäumt, eine auf alternativen Werten aufbauende Altersvorsorge aufzubauen“, sagt Oliver Pradetto vom Maklerpool Blau Direkt aus Lübeck. Oft sei der einzige Wertfaktor der Bestand. Und der erziele in der Regel kaum mehr als 30.000 bis 40.000 Euro jährliche Bestandscourtagen.
Zu etwas weniger erschreckenden Ergebnissen kommt die Leipziger–Vers-Studie. Hier liegt der jährliche Umsatzdurchschnitt bei 201.000 Euro. Doch es gebe einen hohen Anteil von rund 44 Prozent der befragten Makler, die unter 100.000 Euro pro Jahr liegen. Im Schnitt beschäftigen diese kleineren Makler 2,7 Mitarbeiter und haben rund 1.100 Privatkunden sowie 230 Geschäftskunden. Trotzdem erhoffen sich viele über einen Verkauf, ein entsprechend Vielfaches zu erreichen, damit sie daraus ihren Lebensunterhalt finanzieren können. „Nur ist das leider vollkommen unrealistisch“, so Makler-Experte Pradetto.
Keine langfristige Planung vorhanden
Ein wichtiger Grund: Der Betrieb ist nicht professionell auf den Verkauf vorbereitet. Von dem kleinen Anteil, der sich schon konkret um die Nachfolge gekümmert hat, haben die meisten einen potenziellen Nachfolger eingestellt. Langfristige Planung, wie die Kündigung von Mietverträgen für Büro oder geleaste Objekte sowie die Befristung von Arbeitsverträgen, gibt es praktisch kaum. Selbst mit dem Verkaufspreis haben sich konkret nur erst 14 Prozent der künftigen Ruheständler beschäftigt. Kommt es dann doch zu Verhandlungen mit einem möglichen Käufer, scheitern die meisten Gespräche am Geld. „Die Kaufpreisvorstellungen beider Seiten und die Finanzierungsmöglichkeiten der Käufer sind vielfach kaum unter einen Hut zu bringen“, sagt Stefan Adams von der Dr. Adams & Associates aus Eschborn. Ähnlich problematisch beurteilt auch Christian Lüth von der Ibras GmbH aus Neuenhagen die Lage. Die meisten Käufe würden an der fehlenden Finanzierungszusage der Banken scheitern. „Oder die Geschäftsmodelle der beiden beteiligten Seiten passen nicht zusammen“, sagt Oliver Lang vom Maklerpool BCA aus Bad Homburg.
Warum viele Vorhaben platzen
Das ist für Hans-Georg Jenssen vom Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) aus Hamburg ein Hauptgrund, warum viele Nachfolgevorhaben platzen. „Selbst wenn sich Käufer und Verkäufer anfangs sympathisch sind, stellt man oft erst im Alltagsgeschäft fest, ob man tatsächlich harmoniert.“ Viele alteingesessene Versicherungsmakler würden nur dann verkaufen, wenn sie das Vertrauen hätten, dass der Käufer ihre Kunden gut behandelt. „Der Ex-Inhaber will den ‚Wochenmarkt-Test‘ überstehen“, so Jenssen scherzhaft. Das sei der Moment, in dem der frühere Inhaber mit seiner Frau am Samstag über den Wochenmarkt schreitet, seine früheren Kunden trifft und nur Gutes vom neuen Management hört.
Solche persönlichen Verkaufsallüren können sich alteingesessene große Makler aus dem VDVM, der Chartabörse oder der Vema, wohl leisten. Diese Makler sind durch ihren sehr hohen Kompositanteil gegen die aktuellen Verwerfungen in der Branche noch weitgehend immun. So bestätigt Andreas Brunner von der Versicherungs-Makler-Genossenschaft (Vema) aus Heinersreuth, dass seine Mitgliedsunternehmen in den letzten Jahren nicht an Werthaltigkeit verloren hätten. Anders sieht es hingegen bei kleineren Unternehmen aus. „Kleinstbestände werden aktuell zu Preisen von rund einer Jahrescourtage veräußert“, sagt Thomas Müller von der TM Cosulting aus Starnberg. Für die Verkäufer ein Schock. Vielfach wird das Doppelte erwartet.
Wettbewerb wird härter und unlauterer
Ein Problem von Kleinunternehmen ist die starke Online-Konkurrenz. „Der Wettbewerb hat sich verhärtet und wird immer unlauterer“, so Marlene Jung von der Maklerberatung aus Heinkendorf. Dennoch gebe es immer noch genügend sehr gute kleinere Maklerfirmen, die einen engen Kundenkontakt halten und somit Stornos kompensieren können.
Zwei Aspekte bestimmen den Kauf von Versicherungsmaklerunternehmen. Zum einen gibt es immer weniger jüngere Menschen, die angesichts eines allgemeinen Fachkräftemangels und des schlechten Images der Branche beraten wollen. Böse bringt es ein Makler in einem Leserbrief auf den Punkt: „Wer will heute noch als Versicherungsfuzzi Leute über den Tisch ziehen.“ Zum anderen ist der Wert von Maklerbetrieben in den letzten Jahren vielfach nicht mehr stabil. „Maklerunternehmen, die aufgrund der Personal- und Sachkosten für den Käufer kurzfristig keinen Gewinn erwirtschaften, sind zunehmend unverkäuflich geworden“, sagt Experte Adams. Der Berater stellt fest, dass sich die Verkaufspreise in den letzten drei Jahren deutlich reduziert haben.
Kürzere Amortisation: Entscheidendes Kaufkriterium
Für die Käufer sind immer kürzere Amortisationszeiten der Investition das entscheidende Kaufkriterium. War es in der Vergangenheit möglich, Unternehmen für das Dreifache der Jahrescourtage zu verkaufen, ist dieser Wert nun deutlich gesunken. „Heute liegt der Faktor höchstens noch beim 1,5 oder 1,8“, schätzt Hans-Georg Jenssen vom Verband Deutscher Versicherungsmakler (VDVM) aus Hamburg. Zudem nehmen professionelle Berater längst Abstand von der früheren dominierenden Substanzbetrachtung. „Potenzielle Käufer orientieren sich heute am zu erwartenden Ertrag des Maklerunternehmens“, sagt Knut Einfeldt von der Tutor Consult GmbH aus Neumünster. Auch er bestätigt einen Rückgang der Unternehmenswerte. Demgegenüber verweist Experte Thomas Müller darauf, dass Wertverluste in den letzten Jahren im Wesentlichen bei kleineren Versicherungsmaklern eingetreten sind. Maklerunternehmen im Segment von einer bis drei Millionen Euro Courtage sind nach Einschätzung von Müller hingegen preisstabil. Sie würden derzeit in einer Größenordnung des fünf- bis sechsfachen bereinigten Ebit gehandelt.
Neue Wertermittlung wird Standard
Wird nach Ebit – also nach Gewinn vor Zinsen und Steuern – bewertet, kann der Verkaufspreis für Versicherungsmakler mit fast gleicher Bestandscourtage vollkommen anders ausfallen, wie Experte Adams vorrechnet. Um einen deutlich verbesserten Kaufpreis zu erzielen, sollte die „Braut“ vorher „verschönert“ werden. „Wir erarbeiten dann mit den Inhabern ein umfassendes Programm, das den Ebit steigert“, skizziert Adams das Vorgehen. Alles kommt dann auf den Prüfstand. Das gilt für das Geschäftsmodell und die Zielgruppe, die Umsatzrendite, die Schadenquoten, die Kundenbindung, die Personalqualität sowie die IT-Funktionalität. Verbesserungen sind fast immer möglich, wenn das klare Ziel „Wertsteigerung des Unternehmens“ einmal vor Augen steht.
Auch bei der Entschädigungsleistung für den Betrieb gibt es neben der Einmalzahlung weitere Modelle, die eine Einigung zwischen Käufer und Verkäufer erleichtern können. Dazu gehören beispielsweise Ratenzahlung, Leibrente oder Gewinnausschüttung. In der Vers-Studie favorisierten die meisten Makler die Einmalzahlung und die Leibrente.
Rund 20 Prozent der heute registrierten Makler lassen ihren Bestand – meist unfreiwillig – auslaufen, schätzt Blau Direkt. Es werde dann nur noch das Nötigste getan und Neugeschäft meist nur noch auf aktive Nachfrage der Kunden angenommen. Für Pools und Versicherer eine erschreckende Entwicklung. Fraglich ist zudem, wie viele Makler sich künftig ideelle Ansprüche nach einer fürsorglichen regionalen Betreuung ihrer Ex-Kunden noch leisten können. „Diese Makler – und es gibt davon viele – nehmen extreme wirtschaftliche Nachteile in Kauf. Bis hin zur völligen Unverkäuflichkeit ihres Unternehmens“, warnt Pool-Experte Pradetto. Statistisch lässt sich die ideelle Haltung zudem kaum noch nachweisen. Auf die Frage, welche Anforderungen die Makler an ihren möglichen Nachfolger stellen, stehen in der Vers-Studie Fach- und Unternehmenskompetenz an erster und zweiter Stelle. Erst auf Rang sechs folgt „identische Unternehmensphilosophie“. Noch weniger bedeutsam ist nur noch die „regionale Verankerung“.
Die Suche nach dem „Wunschnachfolger“
Die Suche nach dem „Wunschnachfolger“ ist heute aber vielfach noch möglich, weil es deutlich mehr Nachfrage als Angebote gibt. Da sind sich die Experten einig. Auch wenn bei genauer Analyse wohl ein Großteil der potenziellen Käufer ausfällt, da er keine Finanzierung darstellen kann. „Getrieben durch Basel II und III sowie der zunehmend restriktiven Finanzierungspraxis der Banken, wird sich diese Entwicklung noch deutlich verstärken“, schätzt Experte Adams. Doch schon bald dürfte der Markt umkippen. Die demografische Uhr tickt. Dann könnte es urplötzlich einen Angebotsüberhang geben, was wiederum den Preis der Unternehmen drücken dürfte. Erste Boten dieser neuen Entwicklung sind am Horizont schon sichtbar: Es gibt immer mehr Berater für die Unternehmensnachfolge.
„Durch die Überalterung der Maklerschaft ist die Nachfolgeberatung regelrecht zu einem Modethema geworden“, bestätigt Experte Einfeldt und warnt vor Billiganbietern, die lediglich massenhaft eine sehr oberflächliche Beratung anbieten würden. „Es gibt jetzt sogar sogenannte Berater, die für das Erstgespräch 1.500 Euro vorab verlangen“, wundert sich Adams. Solche Anbieter seien bisher aber regelmäßig vom Markt verschwunden, wenn sie festgestellt hätten, dass nur mit hohem langfristigen Engagement und profunden Kenntnissen erfolgreiche Transaktionen möglich seien.